Umsetzung

Vorstudie

Der erste Teil des Projektes bestand aus einer Vorstudie in Form einer nutzerorientierten Evaluation. Ziel dieser Untersuchung war es, erste Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung von Standards und Informationsbedarfen zu erhalten, indem Internetseiten in Leichter Sprache getestet und bewertet wurden. Mit einem standardisierten Fragebogen, der unter der Beteiligung der Zielgruppe entwickelt wurde, wurden 138 Menschen mit Lernschwierigkeiten und 105 pädagogische Fachkräfte befragt. Folgende Aspekte wurden u.a. erhoben: Emotionale Bewertung der Inhalte, Verständlichkeit der Inhalte, Relevanz der Inhalte für die berufliche Zukunft sowie Fragen zum Layout.

Expert_inneninterviews

Im weiteren Verlauf wurden anhand von Expert_innenbefragungen (N=30) sowohl Anforderungen für die Gestaltung von Internetangeboten, als auch Informationsbedarfe festgestellt und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Die Entwicklung des Interviewleitfadens erfolgte unter Berücksichtigung der Kriterien aus der BITV 2.0, aus kommunikationstheoretischen Erkenntnissen sowie aus Ergebnissen der eigenen nutzerorientierten Evaluation. Für die Auswahl der Expert_innen galt es, unterschiedliche Akteure zu befragen, um so eine maximale Heterogenität der Perspektiven zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurden die Interviews mit IT-Spezialist_innen, mit Pädagog_innen, mit Leichte Sprache-Expert_innen, mit Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten und Seitenbetreiber_innen geführt. Das Ziel dieser Interviews war es, die Sicht verschiedener Expert_innen auf das Thema „Barrierefreies Internet“ zu erhalten, um so bei der Entwicklung von Barrieren und Lösungen der verschiedenen Perspektiven Rechnung tragen zu können.

Referenzgruppen-Treffen

Anschließend folgten 4 Referenzgruppen-Treffen von jeweils ungefähr vier Stunden Dauer. Referenzgruppen sind ein Modell der partizipativen Forschung. Sie sind gekennzeichnet durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Ko-Forschenden:  denjenigen Personen, die von der Forschungsfrage betroffen sind. Diese begleiten und gestalten den Forschungsprozess aus ihrer Perspektive mit (Flieger 2007, 21).

Als Ort wurde ein integratives Café gewählt, um einen möglichst informellen Rahmen zu schaffen. Insgesamt nahmen an den einzelnen Treffen 18 Personen teil, davon jeweils ca. 13 Ko-Forschende und 5 Wissenschaftlerinnen. Die didaktische Konzeption der Referenzgruppen-Treffen erfolgte unter Berücksichtigung des handlungsorientierten Konzeptes von Mühl (1979), so dass eine Förderung der Handlungsfähigkeit und –kompetenz im Vordergrund stand. Weiterhin wurden die Treffen nach der Methode der Zukunftswerkstatt (s. „Inklusive Zukunftswerkstatt“) konzipiert (Stracke-Baumann 2012, 45ff.).

In diesen Treffen entwickelten Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten im Alter von 17 bis 25 Kriterien, die dazu dienen, die Navigation und die sprachliche Verständlichkeit von Internetseiten zu verbessern. Weiterhin wurde ermittelt, welche vorhandenen Informationsbedarfe der Jugendlichen hinsichtlich des Einstiegs in das Berufsleben im Internet bestehen.

Die grobe Auswahl der Inhalte zu den Treffen fand im Vorfeld durch die Wissenschaftlerinnen auf Grund der inhaltlichen Projektvorgaben statt und wurde zum Ende der jeweiligen Sitzungen in der Gruppe diskutiert und ggf. angepasst. Die Themen wurden gemeinsam erarbeitet und die Präsentation der Ergebnisse wurden in Form eines Kurzvortrages eingeübt für die inklusive Zukunftswerkstatt.

Inklusive Zukunftswerkstatt

Auf Grundlage der Ergebnisse der Expert_inneninterviews und der Referenzgruppentreffen fand eine abschließende inklusive Zukunftswerkstatt statt.

Die Methode der Zukunftswerkstatt beinhaltet drei Hauptphasen (Stracke-Baumann 2012, 45ff.):

  • In der Kritikphase geht es darum, Kritik am zugrundeliegenden Thema zu äußern, zu sammeln und zu kategorisieren.
  • Die Phantasiephase beinhaltet das Phantasieren über Lösungen zu der vorher genannten Kritik. Hierbei können durchaus utopische Entwürfe entwickelt werden.
  • Die folgende Verwirklichungsphase dient der kritischen Prüfung der Lösungen, so dass realistische Schritte zur Verwirklichung abgeleitet werden können.

Für die Zukunftswerkstatt kamen die Expert_innen aus den verschiedenen Bereichen zusammen, um die aus den vorherigen Phasen erzielten Ergebnisse zu diskutieren und Möglichkeiten hinsichtlich der praktischen Übertragung zu entwickeln. Durch die Vielfalt der Perspektiven konnten Synergieeffekte genutzt, neue Sichtweisen und Kooperationen entstehen und ein Konsens vorangetrieben werden. Ein sehr produktiver und lebendiger Tag, der vielen sehr zusagte.

Ausblick: Handlungsleitfaden und E-Learning-Tool

Die Ergebnisse aller Phasen werden in einem Handlungsleitfaden verdichtet, der Seitenbetreiber_innen eine Hilfestellung für die Erstellung von barrierefreien Internetseiten bieten soll. Darüber hinaus wird ein barrierefreies E-Learning-Tool erstellt werden, mit welchem Menschen mit Lernschwierigkeiten erlernen können, wie man sich auf Internetseiten zurechtfindet.

Literatur

Flieger, P. (2007). Der partizipatorische Ansatz des Forschungsprojekts Das Bildnis eines behinderten Mannes: Hintergrund – Konzept – Ergebnisse – Empfehlungen. In: P. Flieger & V. Schönwiese (Hrsg.), Das Bildnis eines behinderten Mannes. Bildkultur der Behinderung vom 16. bis ins 21. Jahrhundert. Wissenschaftlicher Sammelband (S. 19-42). Neu Ulm: AG SPAK Bücher.

Mühl, H. (1979). Handlungsbezogener Unterricht mit Geistigbehinderten. Materialien zur Planung und Organisation des Unterrichts (Dürr-Unterrichtspraxis). Bonn-Bad Godesberg: Dürr.

Stracke-Baumann, C. (2012). Nachhaltigkeit von Zukunftswerkstätten (Beiträge zur Demokratieentwicklung von unten, Bd. 23, 2., korr. Aufl.). Univ., Diss.–Köln, 2008. Bonn: Stiftung Mitarbeit.